Rauer Himmel

von Franck Bouysse

 

© Christoph Kretschmer / Adobe Stock

Bis etwa zwei Uhr nachmittags hatte er die erste Reparatur des Zauns abgeschlossen und sein Material weggelegt. Er würde noch einen halben Tag Arbeit brauchen, um sein Werk abzuschließen. Er trat zurück, wie ein Maler, der die Ausgewogenheit der Komposition auf seiner Leinwand prüft, und stellte fest, dass er nicht unzufrieden mit seiner Leistung war. Er hatte sich diese Zigarette wohlverdient, die er jetzt durch Klopfen mit einem Finger aus der Packung gleiten ließ, als wollte er ein kleines ängstliches Tier besänftigen. Er hielt den Rauch des ersten Zuges lange Zeit zurück, ließ ihn sich in seiner Lunge verteilen, dann lehnte er sich an einen Pfahl und blickte auf die unberührte Ebene und den Wald in der Ferne. Ein leichter Nordwind ließ die Zigarette noch schneller verbrennen, dann löschte Gus die Zigarettenkippe zischend im Schnee und machte sich auf den Heimweg. Er trug seine Werkzeuge auf den ausgestreckten Armen bis zum Anhänger und legte sie hinein. Dann kletterte er auf den Traktorsitz und verschwand wie ein fantastisches Wesen inmitten der Abgase, die die Luft in einer Reihe von Spiegelungen zum Flimmern brachten, hinter denen aufgeschreckte Vögel ihre Flügel zerfledderten. Zurück auf dem Hof, räumte Gus seine Geräte weg und ging hinein, um Reis zu kochen und zwei Koteletts von einem der Lämmer zu grillen, die er im letzten Jahr von Abel gekauft hatte. Es schmeckte köstlich, aber er war nicht in der Lage, seinen Teller leer zu essen. Traurigkeit überkam ihn ohne Vorwarnung. Er war niedergeschlagen wie jemand, der erkennt, dass er etwas verloren hat, was zu seinem Leben gehört hatte, ohne von ihm sonderlich beachtet worden zu sein. Etwas, das wichtiger wird, wenn man es verloren hat, als wenn man es jeden Tag vor Augen hat, weil man ihm dann irgendwann keine Aufmerksamkeit mehr schenkt. Mit einem Mal musste er an seinen Hund denken, den er Mars genannt hatte, weil er ihn ganz klein, zitternd und hungrig vorgefunden hatte, als er eines Morgens im März die Angelleinen einholen wollte, die er am Vortag im Fluss, der durch den Wald fließt, gelegt hatte. Gus hatte vor diesem Hund schon viele Hunde gehabt, und er hatte schon oft einen Hund verloren, aber ohne zu wissen warum, hing er an diesem Bastard mehr als an allen anderen. In diesem Moment wurde ihm klar, dass er dieses Tier wirklich vermissen würde, sollte es eines Tages sterben und nicht mehr da sein, um ihm die Hände zu lecken, vor Zufriedenheit mit dem Schwanz zu wedeln, sich an ihm zu reiben und auch nicht, um die Kühe auf die Weide zu führen. Das Tier gab ihm Gewicht, verlieh seiner eigenen Existenz eine Bedeutung, die seine Einsamkeit in gewisser Weise verringerte. Hunde haben bekanntlich ein kürzeres Leben als Menschen. Wenn er die Wahl gehabt hätte, hätte Gus etwas von seiner Zeit abgegeben, um die von Mars zu verlängern. Aber letztendlich waren das einfach nur Berechnungen, nicht das Leben, sagte sich Gus, als er wieder ein wenig zu seiner Gelassenheit zurückfand.

Er gab Mars den Rest der Koteletts, dann stellte er seinen Teller mit Besteck und Glas in das Spülbecken. Anschließend wischte er die Klinge seines Messers am Hosenbein ab, faltete das Messer zusammen und steckte es in seine Tasche. Er wärmte Kaffee in einem Topf auf, und damit das Gebräu nicht aufkochte, blieb er vor dem Herd stehen. Die Oma sagte immer, dass ein aufgekochter Kaffee ein lausiger Kaffee sei, die Art von Lektion, die man nie vergisst. Gus dachte, dass es wirklich ein seltsamer Tag war, mit all diesen Erinnerungen, die wie Krähenschwärme aus dem Nebel auftauchten. Erinnerungen, bei denen man nie weiß, wohin sie gehen oder ob es überhaupt gut ist, sie zu haben, die aber zurückkommen und sich ohne Vorwarnung aufdrängen.

Gus setzte sich hin, um seinen Kaffee zu schlürfen, dann döste er ein, den Kopf auf seinen flach auf dem Tisch liegenden Händen. Als Mars sich satt gefressen hatte, scharwenzelte er zu seinem Herrn, legte sich hin und schmiegte die Schnauze fest an Gus’ linken Schuh.

Draußen waren die Wolken noch tiefer herabgesunken, und der Nordwind schien nicht dazu bereit, die Seiten zu wechseln oder aufzugeben. Als Gus aus seinem Mittagsschlaf erwachte, lag die Asche der Zigarette, die er sich vor dem Einnicken angezündet hatte, in einem Muschelaschenbecher, wie vertrocknete Spatzenscheiße. Jedes Mal war es dasselbe, das Einschlafen nach dem Essen brachte ihn ganz durcheinander. Keine Lust mehr zu arbeiten. Dazu wäre er jetzt auch nicht in der Lage. Er dachte an die Drosseln zurück, die er morgens unter den Eichen am Rand des Feldes bei Les Doges gesehen hatte. Es würde genügen, wenn jemand die gleiche Idee wie er hätte und in der nahe gelegenen Apfelplantage stünde, dann würden sie sich die Vögel schon vom ersten Schuss an gegenseitig zutreiben. Der gute alte Abel!, dachte Gus. Er griff sich sein doppelläufiges 16-Kaliber-Gewehr, das an einem Balken hing, und schob zwei Schachteln Patronen Kaliber 6 in seine Jackentaschen. Mars sperrte er in den Schuppen, damit er die Drosseln nicht verscheuchte, denn er konnte nie still sein, war wegen jeder Kleinigkeit am Kläffen. Gus schlug den Kragen seiner Jacke hoch und brach auf. Er nahm den kürzesten Weg über die Felder der Cardons. Die Gänse folgten ihm eine Weile, streckten ihre Hälse aus, als wollten sie den noch immer fallenden Schnee schnappen, und watschelten dann wieder zurück in ihren Unterstand, wobei die dicken Hinterteile fast den Boden berührten.

Gus lief etwa zwanzig Meter am Fischteich der Nachtigallen entlang. Früher hatte es hier offenbar Nachtigallen gegeben. Es musste aber verdammt lange her sein, denn Gus hatte sie noch nie singen gehört. Die einzigen Vögel, die in Hülle und Fülle in den Bambusbüschen raschelten, waren Stare und einige Amseln, die sich wie verliebte Auerhühner aufführten.

Das Wasser an der Oberfläche des Fischteichs war gefroren. Gus bemerkte die Krallenabdrücke von Teichhühnern auf dem schneebedeckten Eis. Der Fußmarsch und die Kälte hatten ihn jetzt hellwach gemacht. Als er am Rande des Feldes von Les Doges ankam, positionierte er sich unter einer großen Eiche, brach einige Äste ab, die ihm bei der Bewegung und beim Zielen hätten hinderlich sein können, und wartete. Den Gewehrkolben hatte er unter den Bizeps geklemmt, sodass der Doppellauf auf seinem Unterarm lag. Die Hände hatte er in die Taschen seiner Jacke geschoben, wobei er die Patronen knetete, um die Finger beweglich zu halten. Der Himmel hing noch immer so tief. Es würde nicht leicht sein, die Drosseln auffliegen zu sehen. Von Vorteil daran war aber, dass auch sie Schwierigkeiten haben würden, ihn auszumachen. In dieser Hinsicht also fifty-fifty. Immerhin war er derjenige, der das Gewehr in der Hand hielt.

Einige Minuten später wurde Gus schließlich für seine Geduld belohnt, als er das charakteristische Geräusch von fliegenden Drosseln hörte. Er blickte hinauf in den Himmel, sah aber nichts, bis ein Schwarm von etwa zwanzig Vögeln sich auf den Bäumen niederließ, wie aus einer Mehlwolke auftauchend. Sie vergewisserten sich, dass alles in Ordnung war, landeten auf den Baumwipfeln und warteten noch ab, bevor sie den Boden anfliegen würden, um dort, wo die Schneedecke am dünnsten war, nach Nahrung zu suchen. Jetzt gab es kein Zögern mehr. Gus hob behutsam die Waffe und zielte von der Seite auf einen der Vögel. Mit nur noch einem intakten Flügel würde er selbst dann vom Himmel fallen, wenn Gus ihn nur verwundete.

Gus blieb jedoch keine Zeit abzudrücken, denn genau in diesem Moment ertönte ein Schuss von Abels Plantage. Gus zuckte zusammen. Er hatte sich nicht getäuscht. Abel hatte die gleiche Idee gehabt und als Erster geschossen. Die Drosseln flogen davon, und ein paar Sekunden später trafen andere ein, die von Abels Plantage vertrieben worden waren. Gus wollte sich seine Chance kein zweites Mal entgehen lassen. Er zielte auf einen anderen Vogel. Gerade wollte er den Abzug betätigen, hatte aber auch dieses Mal keine Zeit mehr abzudrücken. Schrille Schreie begannen die Leere zu zerreißen, Schreie, die offensichtlich von der Stelle kamen, an der die Schüsse abgegeben worden waren, und die nichts mit dem Gesang einer Drossel zu tun hatten. Gus erstarrte. Noch mehr Schreie ertönten und gingen in ein Knurren wie von einem Tier über, dann ertönte ein dritter Schuss, und dann nichts mehr. Gus konnte noch nicht einmal die erste Reihe der Apfelbäume erkennen. Er wartete, konnte nichts anderes tun, er hoffte wohl, dass etwas aus dem Nebel auftauchen würde. Etwas, das gerettet wäre. Aber alles blieb still. Keine einzige Drossel ließ sich mehr sehen. Er hätte sowieso nicht schießen können. Trotzdem blieb er noch eine ganze Weile unter den Bäumen, und als er sich endlich entschloss, sich zu rühren, wäre er fast hingefallen, so starr waren seine Muskeln geworden. Es wäre am besten, am vernünftigsten gewesen, nach Hause zu gehen, ein schönes Feuer anzuzünden, sich aufzuwärmen und zu vergessen, was er gehört hatte. Es zu versuchen.

Stattdessen ging Gus mit dem geladenen Gewehr in der Hand über das Feld und dann über den Acker. Als er Abels Hof erreichte, stellte er fest, dass anscheinend niemand dort war, auch nicht in der unmittelbaren Umgebung des Ackers. Er näherte sich leise der Scheune und ging an ihrer Rückseite entlang, lief gebückt im jungfräulichen Schnee, verringerte sein Gewicht, um das Knirschen seiner Schritte zu mindern, als liefe er barfuß über Glut, und suchte sich die Stellen aus, die er für die günstigsten hielt, diejenigen, die ihn ohne große Überraschungen zu den nächsten bringen würden. Er lief so vor sich hin, ohne zu wissen, was er suchte, wie ein kleines, verängstigtes Wesen, dem Befehl der gleichen Neugier folgend, die Menschen gegen die halluzinierten Mauern des Morgenlands führte, der gleiche Wunsch, die versprochenen Schätze zu finden und sie an sich zu nehmen, ohne den Preis dafür zahlen zu wollen.

Viel später würde Gus sich sagen, dass er niemals hätte nach unten blicken dürfen, aber manchmal tun wir Dinge, die stärker sind als wir, wenn allein der Instinkt uns leitet. Da war dieser große Fleck im Schnee. Wie Blut. Die Schneeflocken, die wieder unermüdlich herabfielen, versuchten, ihn auszulöschen, aber es war ihnen noch nicht gelungen. Gus stand regungslos, unfähig zu begreifen. Er betrachtete den herabfallenden Schnee, der sich nach und nach rot färbte. Er drehte sich um, ohne nach einer anderen Erklärung zu suchen als der, die die Angst seiner Fantasie entlockte. Es kam ihm so vor, als ob seine Schritte genauso viel Lärm machten wie die große Trommel der Blaskapelle, die im August auf dem Jahrmarkt spielte. Er vergaß nun alle bisher getroffenen Vorsichtsmaßnahmen und begann zu rennen, drehte sich dabei dauernd um, um sicherzugehen, dass ihm niemand folgte. Als er endlich zu Hause ankam, verbarrikadierte er sich im Haus und setzte sich zitternd auf den blanken Boden, den Rücken gegen eine Wand gepresst, wie ein Tier in einer Falle.