Eine generationenübergreifende tragische Familiengeschichte
Wayne Johnson im Gespräch mit Jon Bassoff
Was war der Auslöser für diesen Roman?
Persönliche Erfahrung.
Was bedeutet es, dass die beiden Hauptfiguren beide Native American sind und am Rand eines Reservats leben?
Sie stehen zwischen den Welten, sind einerseits tief verwurzelt in ihrer Kultur, die ihr Denken und Handeln beeinflusst, aber sie sind auch völlig urban und „modern“, und daher relevant.
Der Roman steckt voller Symbole, da sind das Kanu, die Katze und auch die Halsketten. Hast du diese Symbole von Anfang am im Kopf gehabt, oder sind sie beim Schreiben entstanden?
Auch das ist dem Leben entnommen, sie waren also von Anfang an Teil der Geschichte. Das Kanu, und dass es rot ist. Die Katze. Die Halsketten.
Wofür stehen sie?
Sie sind vor allem genau das, was sie sind. Aber darüber hinaus? Das original Buchcover zum Beispiel – das rote Kanu, der Hintergrund – sollte provozieren. Das gilt auch für alles andere.
Bucks Vergangenheit bleibt im Dunkeln. Kannst du etwas mehr über ihn verraten?
Er ist eine Reservats-Erfolgsgeschichte, aber von inneren Konflikten gequält. Er hat eine generationenübergreifende tragische Familiengeschichte – einen Teil davon beschreibe ich im nächsten Buch, in dem es um die Indian Boarding Schools geht, die Internatsschulen.
Bestimmt war es nicht leicht, über einen Pädophilenring zu schreiben. Glaubst du, das Thema könnte für die Leser schwer zu ertragen sein?
Ich würde mir wünschen, dass es meinen Lesern mit dem Buch geht wie mit den Nachrichten aus aller Welt, bei denen man nicht wegsehen kann. Zwar bemühe ich mich, so zu schreiben, dass die Leser mitgerissen und unterhalten werden, aber vor allem versuche ich, ihnen die Wirklichkeit zu beschreiben.
Die meisten Helden in diesem Roman gehören Minderheiten an. Ist das ein politisches Statement oder eher Beiwerk für eine spannende Geschichte?
Auch hier, reale Menschen, reale Situationen. Der Priester in meiner Geschichte, also der Erzpädophile, basiert auf einem Priester, der seine Opfer für andere in seinem „Ring“ mittels Halsketten mit Kreuzanhängern markierte. Und meine Wut über diese Perversion, über alles, was daran falsch ist, hat meine Geschichte befeuert.
Wie schwierig war es, aus der Perspektive einer jungen Native American, eines Teenagers, zu schreiben? Musstest du für diesen Roman viel recherchieren?
Es war nur insofern schwierig, als dass ich mich bemühen musste, ihr „treu“ zu bleiben. Das Mädchen Lucy ist sowohl sie selber, wie ich sie kennengelernt habe, als auch eine Mischung aus vielen solcher Mädchen. Wie ich schon sagte, der Kern des Buchs ist in der Realität zu finden, die ich aus erster Hand kenne, Recherche war da nicht nötig.
Der Roman nimmt geradezu cineastische Ausmaße an. Kannst du etwas zu deinem Schreibstil und deinen Einflüssen erzählen?
Mir ist wichtig, den Leser in eine spannende, fesselnde Geschichte hineinzuziehen. Einflüsse? Am Anfang die Werke von Dostojewski und Hemingway und so weiter, also die üblichen Verdächtigen. Ich hatte eine paar großartige Mentoren, Madison Smartt Bell, James Alan McPherson, Jane Smiley, um nur drei zu nennen. In letzter Zeit bin ich Fan von Tessa Hadley, Percival Everett und David Vann geworden, habe Madison Bells The Witch of Matongé gelesen, ein tolles Buch. Natürlich lese ich immer wieder Native Autoren, die etablierten wie Erdrich und Treuer, aber auch die, die im Kommen sind, wie Tommy Orange.
Die Charaktere in deinem Buch sind sehr lebendig. Denkst du über eine Fortsetzung nach? Besonders Buck und Lucy scheinen bereit für jede Herausforderung, die sich ihnen stellen könnte. Danke, das freut mich. Ein Prequel, The Witch Tree, ist im Juni 2023 erschienen. Und mein Agent hat eine Fortsetzung auf dem Tisch liegen, Ray of Light, die wir noch nicht verschickt haben. Und dann ist da noch das Internatsbuch, eigentlich sind es vier Romane, die alle mit Buck zu tun haben. Er treibt sich schon ziemlich lange herum. Zum ersten Mal ist er 1990 in The Snake Game aufgetaucht, dann 2004 in The Devil You Know. Also, ja, ich hoffe, wir werden Buck und Lucy in Bälde wiederbegegnen.
Übersetzt von Karen Witthuhn