Im Gespräch mit dem Schriftsteller William Gay

Am 12. Februar 2011 verbrachte Derrick Hill, Student an der Middle State Tennessee University und Praktikant beim Tennessee Literary Project**MTSU (www.mtsu.edu/tnlitproj), einen Nachmittag mit dem Schriftsteller William Gay in dessen Haus in Hohenwald. Hier das niedergeschriebene Gespräch.
©duqimages / Adobe Stock

Auf welche Arbeiten von Ihnen dürfen wir uns 2011 freuen?

Ich weiß noch nicht, ob ich „The Lost Country“ an den Verlag gebe. Wahr-scheinlich stelle ich vorher noch einen anderen Roman [The Wreck of the Tennessee Gravy Train] fertig. Ich hatte ein Zerwürfnis mit meiner Agentin, als ich mich für den Verlag MacAdam Cage entschied, obwohl sie mir davon abriet und ich es trotzdem getan habe. Am Ende hat sie Recht behalten und ich Unrecht. Jetzt arbeite ich wieder mit ihr zusammen, und sie versucht rauszufinden, ob mit MacAdam Cage noch was los ist oder nicht und der Typ vielleicht nach Mexiko abgehauen ist. Sie hat Anfragen von anderen Häusern erhalten – zwei, drei New Yorker Verlage interessieren sich für das Buch, also wird’s wohl woanders unterkommen. Aber in der Zwischenzeit hab ich angefangen, über einen Mann zu schreiben, ein Medium, zu dem ein Haufen Verwandter kommt und auf ihn einredet, eine Patientenverfügung aufzusetzen und ihnen seinen ganzen Besitz zu überschreiben. Das alles war zu viel für eine Short Story, und so wurde es das Buch, an dem ich gerade arbeite, „The Wreck of the Tennessee Gravy Train“. Der Titel stammt übrigens von einem alten Uncle-Dave-Macon-Song.

Und andere Short Stories?

Es gibt mehrere handschriftliche Stories, die ich aber noch nie abgetippt und irgendwo eingereicht habe. Warum weiß ich nicht. Mir kommt’s vor, als wäre Schreiben der eigent-liche Spaß, und alles danach, das Eintippen in den Computer, ist nur noch Arbeit. Richtig Spaß macht nur, die Geschichte zu schreiben. Mit ein paar anderen zusammen, die ich schon veröffentlicht habe, könnte es fast für ein Buch reichen. Und es gibt noch zwei oder drei, die nicht in der ersten Sammlung waren.

Spielt „The Wreck of the Tennessee Gravy Train“ wieder da, wo Ihre anderen Bücher spielen?

Ja, es ist dieselbe Gegend. Aber zeit-genössischer. Die meisten anderen Sachen spielten ja in den 1950ern. Das jetzt ist ein bisschen näher an unserer Zeit. Vielleicht nicht wirklich jetzt, aber da gibt’s schon Dinge wie Videokameras und Ähnliches – also fast wie heute.

Die Geschichte klingt, als könnte sie auch ganz witzig sein.

Ja, ein gewisser Witz steckt drin, aber der Typ, der ist eine Art Wahrsager, dem andere das Kleidungsstück eines vermissten Kindes oder so was schicken, damit er rausfindet, was mit dem Kind passiert ist. Der ganze Kram – er ist ein bisschen unordentlich – wird ihm aber allmählich zu viel. Es geht fast immer nur um tragische Sachen, schlimme Dinge, die Menschen passieren. Sie kommen zu ihm, weil ihr Leben aus dem einen oder anderen Grund in die Brüche geht.

Ist die Figur des Mediums nicht auch einem Ihrer Onkel nachempfunden?

WG: Ja, doch. Er war wirklich schräg. Er blieb unverheiratet, und als alle anderen um ihn herum tot waren, hat er noch lange alleine gelebt, bis er selbst gestorben ist. Deswegen warfen manche auch ein Auge auf das, was er hatte, 200 Acre Land, eine nette Farm. Und über die Jahre hatte er auch was gespart. Nach seinem Tod gab’s Streit ums Geld. Das ist eins der Dinge in meinem Leben, auf die ich stolz bin – ich wollte nichts mit dem Prozess zu tun haben, als ein paar meiner Cousins gerichtlich gegen sein Testament vorgingen. Ich sagte, dass ich mich nicht um den Besitz eines Toten prügeln will.

Das klingt nach der Initialzündung für diesen Roman.

Ja, aber wie das immer so ist – es beginnt mit irgendwas, aber am Ende läuft’s auf was ganz anderes raus. Er war in gewisser Weise das Vorbild für eine Figur in „Provinzen der Nacht“, aber letztendlich wurde jemand ganz anderes draus. Scott [Gays Onkel] hatte überhaupt nichts von einem Schurken, er war einfach schräg, ein komischer Kauz. Es kamen einfach dauernd geschiedene und verwitwete Frauen zu ihm, die von ihm ihr weiteres Schicksal erfahren wollten. Den Frauen war was Einschneidendes passiert, und jetzt wollten sie wissen, was das Leben noch für sie bereithielt. Na, und ein paar von ihnen hatten vielleicht auch ein Auge auf ihn geworfen. Er war ein Mann im mittleren Alter, er lebte allein, und er hatte ein nettes Stück Land, das zog auch Leute an.

Glauben Sie, dass er wirklich ein Medium war?

Er war auf alle Fälle speziell. Als ich jung war, wollte er mir immer meine Zukunft vorhersagen, aber ich hab ihn nie gelassen. Ich war abergläubisch. Was Gutes würde so oder so kommen, und Schlechtes wollte ich gar nicht wissen. Ich glaube, er war eine Mischung – vermutlich hatte er immer wieder mal hellseherische Momente, aber er besaß auch viel Menschenkenntnis. Er wusste, was die Leute hören wollten, und vermutlich hat er ihnen oft auch genau das gesagt. Ein anderer Onkel, der dieser Wahrsagerei gegenüber immer eher skeptisch war, hat mir erzählt, dass er einmal bei ihm war, als Besuch kam, der sich die Karten legen lassen wollte. Da stand er auf, um zu gehen, damit er sie bei der Wahrsagerei nicht störte. Bis zur Küchentür sei er auch gekommen, dann aber hätte er sich entschieden, noch ein bisschen zu bleiben und zu hören, was er sagte. Der Onkel sagte einer Frau vorher, dass sie einen neuen Job bekäme oder was anderes Gutes passieren würde. Sie sagte, „Nein, nein … So Zeug juckt mich doch gar nicht. Ich will was über einen Mann erfahren. Ich will was über den Mann erfahren, den ich vor ein paar Wochen kennengelernt hab. Ich will rausfinden, was los ist.“ Scott, erzählte er, wäre sofort darauf eingestiegen und hätte gesagt: „Ja, das seh ich an dem Buben da. Das wär mein nächster Punkt gewesen.“ Danach hätte Scott der Frau alles Mögliche über einen Mann erzählt, den er vor dreißig Sekunden noch gar nicht kannte. Als Bekannte von ihm von Alabama rauf nach Tennessee zogen, fuhr Scott mit einem Pritschenwagen mit hohen Ladewänden runter und lud ihre Möbel und allen Krempel auf. Auf der Fahrt übersah einer ein Stoppschild und bretterte in ihn rein, so dass der ganze Laster umkippte. Da sagte mein anderer Onkel: „Weißt du, ich hab mich immer gewundert, dass einer, der in die Zukunft schauen kann, an diesem Tag nicht einfach im Bett geblieben ist.“

Einen Hellseher finde ich in dieser Gegend überraschend, noch dazu in den 1950ern. Gerade im Bible Belt würde man so was nicht für möglich halten.

Ich war mal auf einer Lesereise in Oxford, Mississippi, und bei der Veranstaltung kam eine Frau zu mir und fragte: „Kennen Sie Scott Gay?“ Sie war sogar von hier zu ihm nach Tennessee gefahren, um mit ihm zu sprechen. Ich hab das nie kapiert. Bis heute weiß ich nicht, warum man so was wissen will. Meinem Onkel sind dauernd die tollsten Dinge passiert. Ein merkwürdiges Leben. Er war ein Hundenarr; immer hatte er alle möglichen Hunde. Als er nach dem Tod seiner Mutter allein lebte, leisteten sie ihm sicher viel Gesellschaft.

Hat er sich von Anfang an für einen Hellseher gehalten, oder hat sich das erst im Laufe des Lebens entwickelt?

Nein, er war immer jemand, von dem man glaubte, er könnte in die Zukunft schauen. Er hat mir mal erzählt, wie er mit dreizehn oder vierzehn von der Arbeit heimkam – damals hat er drüben in Grinder’s Creek ein Stück Land gerodet. Er hat erzählt, dass er auf dem Heimweg war, als sein Hund ihn abholen kam, so wie er’s immer tat, und hinter ihm herlief. Aber als er zu Hause ankam, war der Hund nicht mehr da. Da sagten sie ihm, dass der Postbote in der Früh den Hund überfahren habe. Er hat das wirklich geglaubt. Das hat er sich nicht ausgedacht.

Eine Short Story und ein Roman von Ihnen wurden verfilmt. Waren sie da an der Produktion oder am Drehbuch beteiligt?

Beim ersten Film auf Grundlage der Story [That Evening Sun] hat mir jemand das Drehbuch geschickt, und darin ließen sie ihn Dinge tun und sagen, die er nicht getan oder gesagt hätte. Bei den Dialogen hab ich ein bisschen eingegriffen, aber nicht viel. Und mit dem Film „Bloodworth“, basierend auf „Provinzen der Nacht“ hatte ich gar nichts zu tun. Angeblich ist er nicht besonders gut. Was ich so hörte.

Haben Sie ihn denn gesehen?

Nein, ich bin da nicht hin [zum Nashville Film Festival] Aber meine Kinder. Ich weiß gar nicht warum, aber ich hatte keine Lust. Für diese Leute ist das alles eigentlich nur ein Fototermin. Sie lassen sich mit dem und dem fotografieren und latschen auf dem roten Teppich rum. Beim ersten Film hab ich das mitgemacht, und danach hatte ich keine Lust mehr. Meine Töchter und mein Sohn William, sind aber hingefahren. Sie meinten, der Film ist ganz gut, aber nicht besonders nah am Buch. Da spielen gute Leute mit: Kris Kristofferson und Val Kilmer. Auch Dwight Yoakam, glaube ich, und Hillary Duff.

Scott Teems [der Regisseur von That Evening Sun] hat doch auch aus Ihrer Short Story „A Death in the Woods“ einen Kurzfilm gemacht, oder?

Ja, das ist eine ziemlich gute Arbeit. Der Film ist nur ungefähr zwanzig Minuten lang. Aber er ist gut geworden. Das war vermutlich die Geschichte, bei der ich mich am schwersten getan habe, sie zu schreiben. Es war schwierig rauszufinden, wie viel ich erzählen sollte. Auch der Typ findet das erst nach und nach selbst raus. Das war wirklich nicht einfach. Ich hab alles mehrfach umgeschrieben. Und ein, zwei Mal hätte ich die Story fast verkauft, bevor ich sie so hinbekommen habe, wie ich wollte oder wie ich es für richtig hielt. Mit ihr ist auch was verbunden, das einem die Schriftstellerei verleiden kann. Ich hab die Story praktisch überall angeboten. Aber niemand wollte sie, erst als ich die anderen zwei Geschichten verkauft hatte, las ein Redakteur das Manuskript. Danach rief er eine Bekannte bei GQ an, zu der er sagte: „Den Mann müsst ihr veröffentlichen; diese Story musst du dir ansehen.“ Dann rief die Frau von GQ an bei mir, ich hab ihr die Story geschickt, und sie hat sie sofort gekauft, obwohl sie alle abgelehnt haben, die normalerweise literarische Short Stories nehmen – vom New Yorker, Harper’s, Atlantic und Esquire. Es war aber dieselbe Geschichte. Mit Marc Smirnoff vom Oxford American war’s genauso. Immer hab ich zuerst ihm die Sachen geschickt und danach woanders eingereicht. Manchmal mehrere zugleich. Am Ende sind alle erschienen, aber er hat sie alle abgelehnt. Er hat mir nette Briefe geschrieben, aber trotzdem hat er alle abgelehnt. Dann, nachdem die ersten beiden Stories veröffentlicht waren, hab ich ihn getroffen – vorher war ich ihm nie begegnet, ich hatte immer nur seine Stimme am Telefon gehört. Ich traf ihn bei einer Schriftstellerkonferenz an der Sewanee University. Als er mich um eine Short Story bat, wär mir beinahe der Kragen geplatzt. „Sie haben so gut wie jede Story gesehen, die ich geschrieben habe, und alle abgelehnt. Warum wollen Sie denn jetzt eine?“ Er meinte: „Wie’s scheint, dampft der William-Gay-Express gerade ab, da möchte ich natürlich auch einsteigen.“

Die erste Story, die sie [der Oxford American] veröffentlicht haben, war „My Hand Is Just Fine Where It Is“, oder?

Das ist eine meiner Lieblingsgeschichten.

Was schreiben Sie jetzt für den Oxford American?

Sie haben eine Reihe von Leuten gebeten, über Barry Hannah zu schreiben, aber höchstens zwei- bis dreihundert Wörter, im Grunde nicht mehr als eine Seite. Ich weiß nicht, wie man bei Barry Hannah mit nur einer Seite auskommen kann, das ist doch un-möglich. Ich wollte schreiben, wie ich ihm zum ersten Mal begegnet bin. Das schien mir eine interessante Sache, aber nur auf einer Seite, das ging nicht. Ich hab mehrmals versucht, das zu schreiben, hab’s schließlich aber aufge-geben.

Sprechen Sie von Ihrer Begegnung mit ihm an der Sewanee?

Ja, und ich hab ihn auch gleich erkannt. Er saß auf einer Veranda am Rebel’s Rest. Es war, als würde er mich beobachten. Ich war vorher noch keinem Schriftsteller persönlich begegnet; ich war auch ein bisschen nervös, bevor ich mit ihm redete. Er saß nur da und trank Mineralwasser. „Ja, wen haben wir denn da?“, sagte er. „Wer sind Sie?“ Ich nannte meinen Namen und sagte, woher ich kam. Er fragte: „Was ist Ihr Lieblingsalbum von Bob Dylan?“ Es war reichlich seltsam, dass er davon ausging, dass ich Bob Dylan überhaupt kannte. Ich sagte: „Entweder Blonde on Blonde oder Highway 61 Revisited. Und Ihres?“ Er sagte: „Entweder Blonde on Blonde oder Highway 61 Revisited. Was ist Ihr Lieblings-buch von Cormac McCarthy?“ Ich sagte: „Entweder „Suttree“ oder „Blood Meridian“ oder auch beide. Und Ihres?“ Er sagte: Entweder „Suttree“ oder „Blood Meridian.“ Ich weiß nicht, ob es daran lag, dass ich so abgerissen aus-sah, oder weil ich älter war als die meisten anderen, aber er schien an mir Gefallen ge-funden zu haben. Jedenfalls wollte er die Story sehen, die ich in den Workshop mitbrachte.

Sie waren in seinem Workshop?

Ja. Nachdem er sie gelesen hatte, sagte er am nächsten Tag: „Was zum Teufel machen Sie überhaupt hier?“ Ich wusste nicht, ob er meinte, dass ich mich ganz schön was traute, an seinem Workshop teilzunehmen, oder dass ich auch ohne Workshop schon gut genug wäre. Ich vermute, er meinte Letzteres.

Mit welcher Story waren Sie da?

„The Paperhanger“. Am Ende hat er sie als beste des Workshops oder so ausgesucht. Sie wissen schon, das ist die Anthologie, die jedes Jahr veröffentlicht wird. Am Ende landete die Story darin. Es ist der Text von mir, der am häufigsten in Anthologien vertreten ist. Joyce Carol Oates hat die Story für das Ecco Book of Modern Fiction ausgewählt. Und im vergan-genen Herbst ist die Sammlung Greatest Noir of the Century erschienen, und darin ist sie ebenfalls, worauf ich wirklich stolz bin. Als Jugendlicher war ich ganz wild auf Noir-Sachen, und ich lese sie immer noch gern.

Einmal habe ich Barry Hannah interviewt, und während der ersten Hälfte lief das Ge-spräch auch gut. Die zweite Hälfte des Inter-views wollten wir am nächsten Tag machen, aber da hatte er dann keine Lust mehr. Er sagte: „Ich will nicht mehr darüber reden. Können wir nicht über Jesus oder Bob Dylan sprechen? Irgendwas anderes als das?“ Ich sagte: „Na ja, ein paar Fragen müsste ich Ihnen noch stellen.“ Darauf entgegnete er: „Ach, denken Sie sich die Antworten einfach aus.“ Aber ich wollte nicht so tun, als könnte ich in Hannahs Haut schlüpfen, daher habe ich das Interview nie abgeschlossen.

Es ist nicht ganz einfach, sich Fragen auszudenken, die noch keiner gestellt hat.

Ja, er fing an, sich zu langweilen. Wir waren eigentlich auf der Suche nach einem Akupunkteur. Er hatte gehört, dass es in Tupelo einen gab, und er holte mich von Tom Franklins Haus ab. Geplant war, dass er mit mir sprechen würde, während er diesen Akupunkteur suchte, aber eigentlich wusste er nichts mehr, als dass irgendwer gesagt hatte, dieser Akupunkteur sei in einem zweistöckigen Backsteinhaus in Tupelo. Man möchte nicht glauben, wie viele zweistöckige Backstein-häuser es in Tupelo, Mississippi, gibt. Am Ende haben wir den Akupunkteur tatsächlich gefunden und Hannah hatte Schmerzen und nahm Medikamente – wahrscheinlich wurde ihm deswegen alles zu viel.

Wie alt waren Sie, als Sie die ersten Stories an andere geschickt haben?

So fünfzehn oder sechzehn, schätze ich. Wir bekamen eine Zeitschrift, den Progressive Farmer, in der ein Schriftsteller aus Kentucky, Jesse Stewart, Erzählungen veröffentlichte. Ich dachte, so was Ähnliches könnte ich auch. Also habe ich eine handschriftliche Story hin-geschickt, aber die kam zurück mit der Bemerkung, ich bräuchte eine Schreib-maschine, handschriftliche Manuskripte würden nicht angenommen.

Und dann haben Sie sich eine Schreibmaschine besorgt?

Das hat noch ziemlich lang gedauert. Ich hab schon nach der siebten Klasse mit dem Schreiben begonnen. Da hatte ich einen Lehrer, der mich auf Thomas Wolfe auf-merksam gemacht hat. Ihm war aufgefallen, dass ich viel las, und er meinte, ich könnte ein bisschen weniger wahllos nur alles in mich reinschlingen. Damals las ich viele Zane-Grey-Western, und ganz besonders mochte ich die Perry-Mason-Romane von Erle Stanley Gardner. Er gab mir “Schau heimwärts, Engel“ unter der Bedingung, dass ich es wirklich lese und hinterher mit ihm darüber spreche und ihm sage, wie ich es finde. Danach gab er mir noch mehr Sachen.

Haben Ihre Eltern Sie ermutigt, oder kam das Lesen ganz von selbst?

Das ging nur von mir aus. Ich weiß auch nicht warum. Sie haben mich dann aber bestärkt. Auf jeden Fall haben sie mich nicht vom Lesen abgehalten oder so, auch wenn sie selbst nicht gelesen haben. Wir hatten keine Bücher. Ich hab die Bücher dann von überall-her, wo ich sie kriegen konnte, angeschleppt. Die Signet-Ausgabe von „A Good Man is Hard to Find“ waren die am besten angelegten fünfunddreißig Cents, die ich je ausgegeben habe. Früher hat Signet viele solcher Bücher rausgebracht. Jemand sollte mal einen Essay über Signet Books schreiben. Es lässt sich überhaupt nicht abschätzen, wie viele Leute sich für Literatur zu interessieren begannen, nur weil sie gedacht hatten, sie würden gleich einen Softporno oder so lesen. Die hatten immer echt schrille Cover. Mädchen, denen das Kleid halb vom Leib gerissenen war, und mit fast blanken Brüsten und so. Bei Signet gab’s praktisch alle: Thomas Wolfe, James Joyce, James T. Ferrell, William Faulkner, Truman Capote. Sie veröffentlichten jeden, von Hemingway bis Mickey Spillane. Spillane hat wahrscheinlich viele der Bücher finanziert, mit denen sie kein Geld machten. Die Spillanes waren ungeheure Bestseller. Er erfand den Privatdetektiv Mike Hammer. Ich erinnere mich an ein Buch, das ich mit ungefähr fünfzehn las. Über das gesamte Buch versucht Mike Hammer herauszufinden, wer seinen besten Freund getötet hat. Sie waren gerade aus dem Zweiten Weltkrieg herausgekommen, in dem sie gemeinsam die Hölle durchlebt hatten, und dann ermordet jemand den Freund. Im Verlauf des Buchs verliebt er sich auch in eine Frau, nur um auf den letzten Seiten rauszukriegen, dass sie es gewesen ist, die seinen Freund umgebracht hat. Es ist einer der großartigsten Schlüsse im Noir-Genre. Hammer sitzt in einem Sessel mit einer 45er auf dem Schoß und wartet, dass sie ins Zimmer kommt. Sie sieht, dass er eine Waffe hat, und begreift augenblicklich, was er vorhat – dass er weiß, dass sie seinen besten Freund ermordet hat. Sie fängt an, sich auszuziehen, und steht schließlich nackt vor ihm. Da schießt er ihr in den Bauch, und sie sagt: „Wie konntest du nur?“ Mike Hammer antwortet: „Ich hatte nur wenige Sekunden, ehe ich mit einer Leiche sprechen würde, aber ich hab’s geschafft. Es war leicht, sagte ich.“ Das ist der letzte Satz des Buchs. „Es war leicht, sagte ich.“ Der Mann ist einer der schlechtesten Schriftsteller aller Zeiten. Er hat wirklich schreckliches Zeug geschrieben. Vor nicht allzu langer Zeit wollte ich ein paar Sachen wieder lesen. Ich war in einem Trödelladen und hab ein Buch mit sieben Mickey-Spillane-Romanen entdeckt. Ich hab versucht, einen davon zu lesen, und jetzt weiß ich nicht mehr, wie mir das als Jugendlicher gelungen ist. Aber er war eine Macht damals. Ich hatte ein paar ältere Cousins, und die hatten das Spillane-Buch, von dem ich gesprochen hab. Als ich es ausleihen wollte, meinte einer: „Ne, dafür bist du zu klein. Das ist ein Erwachsenenbuch.“ Ich hab mir trotzdem bald eine Ausgabe besorgt. Damals konnte man noch in fast jeden Laden gehen und bekam ein Taschenbuch für 30 oder 35 Cents. Die dicken kosteten 50 Cents, und die einfachen kosteten 25.

Sie haben vorhin Flannery O’Connor erwähnt. Hat sie einen größeren Einfluss auf Ihr Schreiben?

Ja, das hat sie bestimmt. Ich hab viel Südstaatenliteratur gelesen; na ja, ich hab viel Erskine Caldwell gelesen, aber mit den Figur-en seiner Romane konnte ich nie warm werden. Sie waren ganz anders als die Men-schen, die ich kannte. Dagegen kamen mir die Figuren bei O’Connor wie echte Menschen vor. Caldwells Charakter schienen die ganze Zeit an Sex zu denken. In den Büchern geht es hauptsächlich darum. Dabei sind sie angeblich alle dauernd am Verhungern und raufen um einen Sack Rüben. Aber ich habe gelesen, dass die Libido, wenn man anfängt zu ver-hungern, das Letzte ist, woran man denkt. Man braucht nur „Draußen im Dunkel“ zu lesen, um zu erkennen, das auch McCarthy von O’Connor beeinflusst ist. „Draußen im Dunkel“ ähnelt in Manchem O’Connors Taugenichts in „Ein guter Mensch ist schwer zu finden“. Ich weiß nicht, ob ich den Roman „Draußen im Dunkel“ so ganz verstehe. Ich weiß nicht, ob ich alles kapiere, aber es macht trotzdem Spaß, ihn zu lesen. Ich hab mal einen Essay gelesen, „The Empty Road“, der war eine Buchkritik dazu. Da hieß es, in gewisser Weise hätten sie durch den Inzest das Schicksal herausgefordert, und deswegen läuft alles schief. Ich weiß nicht, ob das stimmt. Das Ende ist irgendwie mit dem Anfang verwoben. Mir hat das nie so ganz eingeleuchtet, weil sie ja auch irgendwie mit drinn hängt und die Kapitel über sie ja eher leicht sind – da singen die Vögel, die Sonne scheint. Nur läuft für sie nichts richtig.

Wo liegen Ihrer Meinung nach die Herausforderungen, wenn – etwa in „Ein Kind Gottes“ – der Protagonist eine so böse Figur ist, man aber doch irgendwie vernünftig mit ihr umgehen will? Sie haben in „Nächtliche Vorkommnisse“ mit Fenton Breece auch einen düsteren Charakter geschaffen. Was sind die Schwierigkeiten, wenn man so eine Figur erschafft, sie aber nicht zu abstoßend gestalten will?

Ich weiß es nicht. Ich mache so was instinktiv. Ich plane nicht, was ich mit einer Figur im Einzelnen geschehen lasse. Ich versuche, ihnen etwas Menschliches zu geben. Sogar Ballard aus „Ein Kind Gottes“ wird in der Szene am Schluss, in der er träumt, ein bisschen menschlicher. Ich kannte mal einen, als ich für einige Zeit in der Stadt einen Möbelladen führte. Er kam regelmäßig dorthin und redete mit mir. Wahrscheinlich, weil ich zuhörte. Er erzählte mir immer irgendwelche Geschichten. Einmal sagte er, dass ich mich an ihn wenden könnte, wenn ich Schwierig-keiten hätte. Er meinte: „Dann kümmre ich mich drum. Draußen im Wald gibt es alte Brunnen und Zisternen, in denen schon Leute verschwunden sind, tief unten von Steinen und Felsen begraben – keiner hat erfahren, was mit denen passiert ist.“ Für zwei oder drei Tage bekam ich das nicht mehr aus dem Kopf. Eine schreckliche Vorstellung. Man tötet jemanden, und dann wirft man ihn in eine trockene Zisterne und hinterher noch Felsbrocken auf die Leiche. Am Ende brachte er tatsächlich jemanden um, und jeder wusste davon. Er kam vor Gericht, wurde aber nicht verurteilt, fast wie Granville Sutter in „Nächtliche Vorkommnisse“. Er hatte auch mehr Sinn für Humor als Sutter. Ich hab ihn im Radio gehört, bei der Verkaufs-sendung Trade Time. Er war Schwarzbrenner. Einmal hat er da angerufen und gesagt, hinter seinem Haus wären alle möglichen Whiskeys versteckt – man soll einfach vorbeikommen. Noch während er das sagte, flog er aus der Leitung. Ein anderes Mal rief er an und fragte den Moderator was – er habe gehört, dass es in Columbia einen Puff gäbe, aber er wüsste nicht genau wo und würde gerne wissen, ob ihm jemand die Adresse geben könnte. Und wieder schmiss man ihn aus der Leitung. Als er wegen des Mordes vor Gericht stand, ging er zu einem Arzt – die hatten da einen Arzt, aber ich weiß nicht mehr, wie er hieß – und verlangte Entschuldigungsschreiben von ihm, wie von seiner Mutter – ein Schrieb, der er-klärte, dass er körperlich nicht in der Lage sei, den Prozess durchzustehen. Als sich der Arzt weigerte, fackelte er dessen Auto ab – einen echt schönen Lincoln. Er stopfte benzingetränkte Lumpen in den Tank und zündete sie an. Er war wirklich ein schlechter Mensch. Ich hatte einen Freund, der in der Innenstadt ein Restaurant betrieb. Damals wusste ich nichts von der Sache, aber er verdiente kein Geld, und so heuerte er diesen Jim an, es abzufackeln. Er fuhr übers Wochenende nach West Tennessee, auf Verwandtenbesuch. Sobald er weg war, sollte Jim es machen. Aber Jim betrank sich und vergaß, das Restaurant anzuzünden, jedenfalls bis Montag früh. Der Freund, dem das Restaurant gehörte, kam gerade zurück, als Jim, total verkatert, ver-suchte, das Feuer zu legen. Am Ende kam Wayne wegen Anstiftung ins Gefängnis. Sobald Jim verhaftet worden war, wurde er Zeuge der Anklage und verriet, wer ihn angeheuert hatte. Ich hab zu Wayne gesagt, dass jemand, der sein Restaurant The Belly Stretcher Café nennt, auch nichts Besseres verdient hat und ins Gefängnis gehört.

Bringen Sie Figuren wie Ihr Bestatter dorthin, wo Ihnen selbst unwohl ist? Sie haben ja mal gesagt, dass sie manchmal einfach rausfinden möchten, wie weit diese Figuren in ihren Handlungen gehen. Warten Sie darauf und redigieren Sie dann rückwirkend?

Ich hatte im Fernsehen einen Bericht über einen Bestatter gesehen – das war hier in Tennessee, aber ich weiß nicht mehr genau wo, ich weiß nicht, in welcher Stadt er gelebt hat. Der Typ war erfolgreich, hat gut verdient, ganz bürgerlich und so – hatte einen guten Ruf. Aber als man anfing, die Särge zu öffnen, fand man heraus, dass er seinen Müll – Orangenschalen, Colaflaschen und so was – zu den Leichen geworfen hatte. Das bekam ich zwei, drei Tage lang einfach nicht aus dem Kopf. Ich lief rum, als wäre ich selbst so jemand. Ich habe noch nie einen so seltsamen Menschen getroffen. Außerdem hatte ich ein Buch gelesen, Hollywood Babylon, in dem die Skandalgeschichte ausgebreitet wird, dass Fatty Arbuckle eine Prostituierte mit einer Limoflasche getötet hätte, und aus irgendeinem Grund dachte ich an Fatty Arbuckle, als ich an dem Buch schrieb.

Ging Fenton Breece, als sie das Buch schrieben, weiter, als sie das wollten?

Nein, nachdem ich die Szene geschrieb-en hatte, in der sich Breece mit der jungen Frau verabreden will – und sobald er ihre Leiche sieht –, da wusste ich ziemlich genau, was er tun würde. Ich hatte etwas über Mahler gelesen. Er hat ja diese Kindertotenlieder geschrieben, und es passte, dass er [Breece] diese Lieder hört. Ehrlich gesagt, fand ich ihn schon ein bisschen gruselig, vor allem später, wenn ihn alle jagen. Da packt er die junge Frau und zerrt sie in den Wagen, rast los und fährt das Auto zu Schrott. Dann laufen die Männer über das Feld zu ihm, und er droht, sich umzu-bringen, was die anderen aber nicht juckt. Denn genau das würden sie ja am liebsten mit ihm machen.

Es ist ein eigenartiger Gedanke, dass er ein gebildeter Mensch sein muss. Für mich jedenfalls war das ein seltsamer Zug. Einerseits ist er wirklich schlau, andererseits hat er diese düsteren Gelüste.

Kurz vor der Veröffentlichung des Buchs wollte der Verlag noch ein paar Szenen mehr. Normalerweise muss ich eher Sachen herausnehmen als hinzufügen. Aber sie wollten noch eine Szene mit Fenton Breece. Deswegen schrieb ich die Stelle, in der er sich im hinteren Teil des Bestattungsinstituts einsperrt und Seifenopern hört und Granville Sutter kommt, um sein Geld zu holen. Als ich ein Kind war, hat meine Mutter solches Zeug gehört – na ja, sie hat’s im Fernsehen gesehen. Bei manchen dieser Dinge waren die Handlungen auch nicht weiter hergeholt als die Handlung in diesem Buch von mir.

Glauben Sie, dass Dallas Hardin [Ruhe nirgends] die bösere Figur ist?

Ich glaube nicht, dass ich die perverse Bosheit von Dallas Hardin noch übertreffen kann, oder eines Mannes, der keine Grenzen kennt. Ich habe oft alte Leute über andere reden gehört, und die sagten: „Der lässt keinen aus.“ Das gilt auch für Dallas Hardin. Der macht alles. Ich glaube, der Mann kennt überhaupt keinen menschlichen Anstand. Das zeigt sich am besten in der Szene, als sie den Kranken besuchen, den Mann im Bett. Hardin nimmt seine Frau – nicht seine, sondern die des Kranken – mit ins andere Zimmer, und hat Sex mit ihr, während die Kirchenleute nebenan sitzen und alles mithören. Das ist die völlige Missachtung von allem, was menschlicher Anstand wäre. Aber trotzdem mag ich Dallas Hardin irgendwie. Ich fand ihn auch immer irgendwie lustig.

Als das Buch erschienen war, hab ich immer wieder Leute getroffen – das ist mit ein Grund, warum ich jetzt nicht mehr so oft in die Stadt fahre –, die wissen wollten, wer welche Figur ist. Einer sagte, er kenne jeden aus dem Buch, außer einer Figur. Er meinte: „Ich weiß nicht, wer dieser Buttcut ist, alle anderen kenne ich.“ Was echt lächerlich ist, weil ich nie jemanden getroffen habe, der annähernd so böse ist wie Dallas Hardin.

Haben Sie nicht mal gesagt, dass der Roman ursprünglich viel länger war?

Ja, er war ungefähr hundert Seiten länger.

Gab es da auch einen anderen Handlungsstrang oder nur noch weitere Szenen?

Da waren nur noch mehr Episoden. Ich wüsste nicht, dass ganze Figuren rausgeflogen sind. Es gab viel mehr über Motor Mouth. In der veröffentlichten Fassung geht Motor Mouth nach Chicago und kommt von dort zurück. Während er in Chicago ist, passiert nichts mit ihm, aber ursprünglich war da Einiges. Es gab auch eine lange Szene, in der Nathan Winer seine Cousine besucht. Sie gehört einem angeseheneren, reicheren Zweig der Familie an und ist mit einem gruseligen Mann verheiratet, der Winer Geld bietet, wenn er mit seiner Frau schläft. Denn er möchte dabei durchs Fenster zusehen. Aber das war wirklich etwas daneben. Das musste man wohl streichen. Redakteure ticken anders. Mit dem Redakteur dieses Buchs war die Erfahrung nicht so angenehm. Ich hab darum gekämpft, die Stellen zu behalten, aber am Ende haben wir sie gestrichen. „Provinzen der Nacht“ ist mehr oder weniger so erschienen, wie ich es als Manuskript abgegeben habe. Das wurde nur wenig bearbeitet. Der Redakteur von „Ruhe nirgends“ und ich hatten verschiedene Vorstellungen davon, was für ein Buch das werden sollte. Ich hielt es für eine Familien-saga wie „Schau heimwärts, Engel“ oder anderes von Thomas Wolfe, aber er wollte mehr Noir, mehr Geheimnis. Aber weil der Junge wissen will, was mit seinem Vater passiert ist, haben wir uns am Ende darauf konzentriert.

Blieb „Nächtliche Vorkommnisse“ denn auch so, wie es war? Oder wurde viel redigiert?

Das wurde kaum verändert, wirklich kaum. Man wollte zwei oder drei zusätzliche Sätze, die hab ich geschrieben, und die kamen unverändert ins Buch. Gestrichen wurde fast nichts. Ich habe vorgeschlagen, eine Szene rauszunehmen, weil ich da ein wenig unsicher war. Einerseits hielt ich sie für gut, aber andererseits wusste ich nicht, ob sie nicht absurd war. Ich hatte mir überlegt, die Szene zu streichen, in der sich Fenton Breece wie seine Großmutter anzieht und Tyler dazu bringt, für sie Futter abzuladen. Ich dachte, der Mann in Frauenkleidern wäre zu viel, ein bisschen übertrieben. Aber die Redakteurin meinte, das sei eine ihrer Lieblingsstellen und wollte sie behalten. Also blieb sie drin.

Woher kam die Idee dazu?

Ich fand, dass das Ganze eine Art Märchen sein könnte, wie Hänsel und Gretel. Diese Szene schien genau zu passen, wie der große böse Wolf in Rotkäppchen, der sich als Großmutter verkleidet. Außerdem war es lustig, das zu schreiben. Das hat mir wirklich Spaß gemacht.

Der Roman hat sich aus einer Short Story entwickelt, oder?

Ja, ich hatte diesen Bestatter im Fern-sehen gesehen und hab mir überlegt, was so jemand alles tun würde, um seinen guten Ruf zu wahren und zu verhindern, dass alles raus-kommt. Danach hatte ich den Einfall, dass eine junge Frau ihn damit erpressen könnte. Auch das hat Spaß gemacht zu schreiben, also hab ich einfach weiter gemacht. Schon seltsam, wie hartnäckig Schriftsteller sind. Man erhält so viele Absagen, und alle anderen denken, man verschwendet seine Zeit, und trotzdem macht man weiter, aus keinem mir ersichtlichen Grund. Ich finde alles interessant, was je-manden zum Schreiben bringt. Deswegen lese ich gern Schriftstellerbiografien wie die von Gerald Clark über Truman Capote. Das Buch hab ich jetzt schon vier oder fünf Mal gelesen, und jedes Mal habe ich über die Situation gestutzt, in der Capote zu spät mit dem Buch war – wahrscheinlich war noch kein anderer vor ihm in so einer Situation. Wenn die Männer hingerichtet werden, hat er einen Bestseller und ist einer der berühmtesten Autoren Amerikas. Er ist irgendwie halb verliebt in den einen und fühlt sich ihm nahe. Es ist eine echte Zwickmühle, ich kenne keine zweite, die so ist. Ich weiß noch, wie ich dachte: „Das ergäbe einen guten Film!“ Und etwas später hatte Bennet Miller dieselbe Idee und schrieb das Drehbuch. Genau darauf hat er sich im Film konzentriert, die Zeit von „Kaltblütig“. Aber die hatte auch Anteil an Capotes Untergang. Daran gibt’s keinen Zweifel. Das hat ihn kaputt gemacht. Eines Abends hab ich ihn in einer Talkshow im Fernsehen gesehen. Es war, als hätte er sich schon aufgegeben oder so. Da hat er auf sein Leben zurückgeblickt. Er sagte, er habe eine neue Art zu schreiben erfunden, er habe einen nichtfiktionalen Roman ge-schrieben und drei oder vier Short Stories, für die er sich nicht schäme – eine, die es mit den besten in englischer Sprache aufnehmen könne. Der Gastgeber sah ihn an, als wäre das ein wenig unbescheiden oder so. Ich dachte, er würde von „Children on Their Birthday“ sprechen, aber der sprach von „A Christmas Memory“, was wirklich eine sehr gute Story ist.

Was hat Sie über die Jahre so hartnäckig bleiben lassen? Sie sagten, Sie hätten mit fünfzehn angefangen, Stories zu schreiben, aber die erste haben Sie erst mit fünfundvierzig verkauft.

Ja, schon, aber ich hab das nicht dauernd gemacht. Ich hab nicht jede Woche oder jeden Monat eine geschrieben.

Aber Sie haben doch die ganze Zeit geschrieben?

Ja, ich hab schon fast die ganze Zeit geschrieben. Was mich immer weiter machen ließ, auch wenn ich nach einer Weile den Mut verloren hatte und aufgab, war, dass ich wieder eine neue Idee oder eine neue Figur hatte, die mich einfach nicht mehr losließ und mich wieder anregte. „Das ist es jetzt, das funktioniert. Als „Those Deep Elm’s Brown Ferry Blues“ fertig war, sagte ich zu meiner Frau: „Ich hab eine Story geschrieben, die so verdammt gut ist, dass ich, wenn keiner sie veröffentlicht, nie wieder was schreibe.“ Darauf sagte sie: „Ach, das sagst du jedes Mal.“ Ich schätze, sie kannte mich da schon besser, als ich vermutet hätte. Aber ich dachte damals wirklich, dass ich die Story unterbringen würde. Ich dachte nur nicht, dass das schon beim ersten Versuch klappen würde, aber das geschah, sie wurde von der Missouri Review angenommen. Jetzt wollen sie eine Anthologie mit den besten Geschichten der letzten 20 oder 25 Jahre rausbringen, und diese Story soll auch rein. Die Georgia Review will auch so was machen, und sie nehmen „I Hate to See That Evening Sun Go Down“.

Sie haben erwähnt, oft hätten Ihnen Redakteure geraten, diesen sehr poetischen Schreibstil aufzugeben. Was hat sie dazu veranlasst, an Ihrem Schreibstil festzuhalten und sich nicht überreden zu lassen, das zu ändern, auch wenn es Ihnen das Veröffentlichen leichter gemacht hätte?

Ich wollte nicht veröffentlicht werden, nur damit ich veröffentlicht bin. Ich bildete mir ein, ich hätte eine eigene Art, die Dinge zu be-trachten, die erhalten bleiben sollten. Ungewollt habe ich aber mich wohl geändert, da bin ich sicher. Manchmal schreibt man was, das toll klingt, und wenn man sich’s einen Monat später ansieht, dann ist es einem beinahe peinlich. Sie wissen ja, wie übertrieben manche Sachen waren. Ich schätze, ein bisschen Abstand hat mir schon gutgetan.

Sie haben sich aber hartnäckig die eigene Stimme bewahrt. Jetzt, da Sie mit Ihrem Schreiben Erfolg haben, haben Ihnen da andere Schriftsteller, die Sie schätzen, schon etwas geraten, und wenn ja, wie gehen Sie mit so einem Rat um?

Der einzige Mensch, der mir je wirklich einen Rat für das Schreiben gegeben hat, ist Cormac McCarthy. Die meisten Schriftsteller, denen ich begegnet bin, haben mich mehr oder weniger wie Ihresgleichen behandelt. Ich hatte ihm [McCarthy] ein paar Sachen zum Lesen geschickt, um rauszukriegen, was er davon hielt. Ich kannte keine anderen Schrift-steller. Ich kannte nicht mal jemand, der Schriftsteller interessant fand. Ich fragte ihn, ob er meinte, das ließe sich veröffentlichen, und er sagte: „Na ja, wahrscheinlich schon.“ Ich habe weiter gebohrt, damit er noch mehr sagte, und da wurde er etwas brüsk. Er sagte: „Ein Schriftsteller braucht niemanden, der ihm sagt, wie gut er ist.“ Damals ergab das für mich keinen Sinn, aber je mehr ich darüber nach-dachte, desto richtiger kam es mir vor. Er sprach gern über Bücher oder Schriftsteller, die er mochte, aber über seine Sachen redete er nicht gerne.

Über wen sprach er denn gern?

Vor allem über Flannery O’Connor. Als ich ihn das erste Mal anrief, einfach so, war ich überrascht, dass er überhaupt mit mir sprach. Anfangs war er nicht sehr zugänglich, aber dann kam das Gespräch auf Flannery O’Connor, und er lachte vor sich hin und zitierte was aus „Die Weisheit des Blutes“. Als er merkte, dass ich großer Fan von O’Connor bin, wurde er sofort freundlicher. Das ganze Gespräch nahm eine neue Wendung. Des-wegen war ich so überrascht, als „All die schönen Pferde“ so bekannt wurde und auch McCarthy selbst. In Time und Newsweek stand, wie unhöflich er zu anderen ist und wie zurückgezogen er lebt, aber das ist überhaupt nicht so, wie er mir begegnet ist. An Höflichkeit hat es nie gefehlt.

Wie oft haben Sie und Cormac McCarthy denn telefoniert?

Das weiß ich nicht, aber schon ein paar Mal. Die Frau, mit der er zu jener Zeit verheiratet war, rief einmal bei mir an und wollte wissen, wann ich das letzte Mal mit ihm gesprochen hätte, weil sie nicht wusste, wo er hin war. Sie sagte, dass er manchmal einfach in die Berge abhaut. Das schien mir eine interessante Art zu leben.

Haben Sie „Verlorene“ im Manuskript gelesen?

Ja, hab ich, und mein Bruder auch. Ich hab ihm immer die Seiten geschickt, mit denen ich fertig war. Immer so vierzig oder fünfzig hab ich ihm gegeben. Er las sie gleich nach mir. Ein Buch von McCarthy, „Der Feldhüter“, hat er sogar vor mir gelesen. Da lebte ich in Perry County, und er ist runter nach Sinking Creek gefahren, nur um mir das Buch zu bringen. Es war eine alte abgegriffene Taschenbuchausgabe, und sagte: „Das Buch musst du lesen.“ Er hatte recht. In dem Fall hat er mit seiner Einschätzung ziemlich richtig gelegen.

McCarthy hat mir einen Agenten empfohlen. Ich hab zu jener Zeit auch nach einem gesucht. Er brachte mich mit dem zusammen, der auch sein erster Agent gewesen war. Ich hab ihm drei, vier Sachen von mir geschickt, aber er konnte nichts unterbringen.

Haben Sie McCarthy „Ruhe nirgends“ geschickt?

Nein, ich hab ihm frühe Entwürfe von „Provinzen der Nacht“ geschickt. Am Ende wurde es dann ganz anders, aber von der Art her war’s ähnlich.

Ich würde gerne mehr über dieses erste Gespräch wissen. Hatten Sie sich überlegt, was sie zu McCarthy sagen wollten?

Nein, und ich war ein bisschen überrascht, weil ich gar nicht damit gerechnet hatte, dass er ans Telefon gehen würde. Ich hatte gerade „Ein Kind Gottes“ gelesen, und auf dem Umschlag hieß es, Cormac McCarthy lebe mit seiner Frau, Anne DeLisle oder so, in Louisville. Also rief ich einfach die Auskunft in Louisville an und fragte, ob es einen McCarthy gebe – und es gab ihn. Diese Nummer hab ich dann gewählt. Später hab ich gelesen, dass seine Frau gesagt hat, das Telefon sei draußen an einem Pfosten, so wie in der alten Show Green Acres. Sie sagte, sie würden in einem Melkschuppen wohnen und das Telefon sei im Freien und er lehne 1500-Dollar-Ange-bote für Lesungen an Colleges ab mit den Worten: „Ich weiß nicht, was ich sagen soll, das ich nicht auch in meine Bücher geschrieben habe, die sowieso keiner liest.“ Sie klang etwas bitter. Ich weiß nicht mehr, ob’s in Time oder in Newsweek war.

War das in den 70ern, als sie mit ihm telefoniert haben?

Das müssen die frühen 80er gewesen sein, weil er in einem Brief schrieb, dass Teile des Buchs, an dem er arbeite, gerade in der Southwestern Review veröffentlicht worden wären. Das wurde dann „Die Abendröte im Westen“. Das ist 1985 erschienen, also war’s wohl um 1980 herum.

Vielleicht war’s auch in den späten 70ern, weil er mir das Manuskript in einem Karton geschickt hat. Mir kam das ziemlich ver-trauensselig vor, weil damals ja noch nicht alle Drucker und Computer hatten und man so was nicht einfach ausspucken lassen konnte. Es war wirklich ein maschinenschriftliches Manus-kript. Mein Bruder rief mich an, als er es las. Als Kinder haben wir immer beim Essen ge-lesen. Er meinte: „Hast du gemerkt, dass man das Buch nicht lesen und dabei essen kann? Jedes Mal, wenn ich es beim Essen lesen will, stoße ich auf eine wirklich üble Stelle.“ Darin kamen wirklich einige heftige Sachen vor. Schon am Anfang, wenn sie die Leiche aus dem Wasser ziehen.

Sie haben auch erwähnt, dass man Ihre Kunst ausstellen möchte?

Ja, der Mann, der erste, dem ich je ein Bild verkauft habe – er hat nun schon ein paar davon –, hat einen Bekannten, der die Southside Gallery in Oxford, Mississippi leitet, und den hat er überredet, ein paar Bilder zu zeigen. Ich muss aber erst noch ein paar machen. Noch hab ich für so was nicht annähernd genug.

Ähnelt der kreative Prozess des Malens bei Ihnen dem des Schreibens? Gehen Sie dabei auch von einer Idee aus, an der Sie weiterarbeiten?

Ich hab wirklich nie daran gedacht, eine Ausstellung zu machen oder ein Gemälde zu verkaufen. Es ist entspannter als Schreiben. Schreiben ist die unentspannteste Tätigkeit der Welt, zumindest für mich. Einerseits ist es aufregend, aber andererseits nervenaufreibend. Ich habe mich schon immer für Kunst interessiert, und die Gemälde von Andrew Wyeth haben mir immer gefallen. Die Art seiner Malerei. Mir hat es einfach Spaß gemacht, alte Scheunen und Häuser und so was zu malen. Menschen kann ich nicht so gut. Anscheinend soll am 11. März tatsächlich Eröffnung sein, vorausgesetzt ich bringe bis dahin genug Bilder zusammen.

Glauben Sie, dass Ihre Gemälde Ihren Texten ähneln?

Nein, eigentlich nicht. Na ja, irgendwie vielleicht doch. Sie sind ländlich – alte Häuser und so was. Ehrlich gesagt, habe ich mir darüber nie Gedanken gemacht. Ich weiß nicht, wie ich darauf antworten soll.

Mir scheint, dass Landschaften in Ihrem Schreiben eine große Rolle spielen.

Ja. Die beschreibe ich eigentlich immer gern. Manchmal schreibe ich Sachen, die ich nicht unbedingt mag, nur damit ich dann darüber schreiben kann, wie etwas aussieht.

In manchen Ihrer Werke wird die Landschaft fast zu einer Figur, zum Beispiel der Harrikin in „Nächtliche Provinzen“.

WG: Ich frag mich auch, woher das kommt. Ich vermute, das hat damit zu tun, wie wir als Kinder aufwuchsen. Wir haben mitten im Wald gelebt. Im Sommer war es sehr heiß. Wir hatten keinen elektrischen Strom, von einer Klimaanlage ganz zu schweigen. Bei uns waren immer alle Fenster offen, und nachts konnte man die Nachtschwalben hören, die klangen, als sängen sie bei uns im Garten. Tatsächlich standen die Bäume fast direkt vorm Haus. Wenn man so nah an der Natur großgeworden ist, dann frage ich mich, ob man sich nicht deswegen noch für diese Dinge interessiert. Ich habe nie in einer Stadt gelebt. Mein Vater hat nie ein Auto besessen, des-wegen kamen wir auch kaum in die Stadt. Wir waren die meiste Zeit auf dem Land. Die Art, wie meine Enkel aufwachsen, unterscheidet sich stark von meiner Kindheit und sogar noch von der Kindheit meiner Kinder. Es ist, als würde alles immer schneller. In den letzten zehn, fünfzehn Jahren hat sich unglaublich viel verändert. Auch im ländlichen Süden scheint alles anders geworden zu sein. Meine Enkel wissen vermutlich mehr als ich, als ich aufwuchs – sie lernen viel mehr in der Schule. Eine solche Informationsflut. Jeder hat einen Computer und ein iPhone.

Interessieren sich Ihre Kinder oder Enkel fürs Schreiben?

Meine älteste Tochter interessiert sich dafür, aber sie beschäftigt sich nicht so viel damit, wie man muss, wenn man es auch tun will. Chris schreibt Songs. Bei seinem letzten Auftritt auf dem Southern Festival of Books kam einer zu ihm und lud ihn ein, bei ihm ein paar Songs aufzunehmen. Studio und alles andere wurde bezahlt. Er hat drei Songs aufgenommen und soll eine ganze CD machen, aber bisher ist das nicht passiert.

Gibt es junge Künstler, die Sie gerne hören?

Ich mag Ray Lamontange. Und Conor Oberst. Und ich mag diesen M. Ward. Den – jetzt fällt mir sein Name nicht ein – hab ich mit einem von Old 97’s gesehen. Das war gut.

Sie hören auch Todd Snider.

Ja, der müsste viel bekannter sein, finde ich. Es ist ein Verbrechen, dass der Mann nicht berühmt ist. Ich weiß nicht, wie oft ich Marc Smirnoff bekniet habe, damit er mich ein Porträt von Todd Snider schreiben lässt. Aber er meinte, er hat die Singer-Songwriter irgendwie über. Von dem Moment, als der Rolling Stone auf dem Markt kam, war ich vermutlich der einzige Abonnent in mehreren Counties bei uns. Ein paar der alten Ausgaben hab ich sogar noch. Die mit John Lennon und Yoko Ono nackt auf dem Titel? Die hab ich noch.

Kehren wir noch mal zu Ihrem kreativen Prozess zurück. Sie haben gesagt, dass das Schreiben sich fast natürlich daraus ergibt, wenn man mal begonnen hat, viel zu lesen, und einen Hang zum Schreiben hat. Glauben Sie, dass Menschen, die nie einen kreativen Impuls verspürt haben, es nur schwer ver-stehen können, das jemand diesen Drang empfindet? Sie sagten einmal, dass sie nur Ihre Zeit verschwenden, wenn Sie nicht schreiben.

Tja, für die meisten meiner Verwandten und Freunde war diese Erfahrung eher fremd. Sie konnten sich nicht vorstellen, mit einem Notizbuch in einem Zimmer zu sitzen und Sachen hinzuschreiben, die wahrscheinlich keiner lesen wird. Jetzt ist die Sache ver-mutlich ein bisschen anders als damals. Die meisten meiner Bekannten haben eher ein ziemlich einfaches Leben geführt und mussten vor allem Geld verdienen. Dinge wie ein Job und das blanke Überleben waren wichtiger als eine künstlerische Betätigung. Ich hab mich ziemlich früh daran gewöhnt, dass es die anderen nicht ernst genommen haben. Ich hab’s zwar ernst genommen, aber die anderen haben sich wohl eher darüber lustig gemacht und fanden es ein bisschen schräg, wenn sich einer Geschichten ausdachte und sie auch noch aufschrieb. Ich hab ewig gebraucht, bis ich begriffen habe, dass andere Leute andere Ansichten haben. Ich habe Menschen ge-sehen, die Schriftsteller werden wollten, und andere, die etwas schreiben wollten, sobald sie die Zeit dazu haben. So in der Art: „Wenn ich mal Zeit hab, schreib ich auch ein Buch.“ Die hab ich dann gefragt, wen sie gerne lesen würden, und die Antwort war oft: „Ach, lesen tu ich nicht. Ich interessiere mich nicht für Bücher von anderen.“ Ich bin ehrlich davon überzeugt, dass man kein Schriftsteller werden kann, wenn man nicht gerne liest. Zumindest kein Schriftsteller, den ich lesen möchte.

Gibt es jüngere Schriftsteller, die sie gerne lesen? Sie haben Ron Rash erwähnt.

Ron schreibt richtig gut. Brad Watson halte ich auch für einen sehr guten Schriftsteller. Er schreibt nicht viel – zumindest wird nicht viel von ihm veröffentlicht –, aber es gab da einen Sammelband mit dem Titel „Aliens in the Prime of Their Lives“, in dem ein paar wirklich gute Stories waren. Jemand hat mir das Manuskript von „Bloodroot“ geschickt [der Debütroman von Amy Greene aus Tennessee]. Das war auch gut, sie schreibt gut. Das Buch hat auch gute Kritiken bekommen, in einem Entertainment Weekly ging sogar die Hauptkritik darüber, was schon was Besonderes ist, weil die Zeitschrift so große Verbreitung hat – die wird wahrscheinlich von einer Million Menschen gelesen. Sie erhielt vier oder fünf Sterne.

In den letzten Jahren hatten Sie gesundheitliche Probleme. Hatte das in irgendeiner Weise Einfluss auf Ihr Schreiben?

Ich glaube, da muss ich wohl oder übel ja sagen, ein bisschen zumindest. Offenbar fällt mir alles etwas schwerer, seit ich diese Herz-beschwerden habe. Es ist ein bisschen seltsam, beim Schreiben von Anstrengung zu sprechen, aber Bücherschreiben hat mich immer Energie gekostet. Ich bin sicher, dass es Leute gibt, vielleicht Stephen King, die ein Buch pro Tag raushauen können. Ich glaube auch, dass das ziemlich schwierig ist. Natürlich kann man sich einfach dahinterklemmen und es tun, aber diese Art Schriftsteller wollte ich nie sein. Ich wollte ein ernsthafter Schriftsteller sein und gute Kritiken bekommen und nichts veröffentlichen, für das ich mich fünf Jahre nach dem Druck schäme.

Wie weit sind Sie mit „The Wreck of the Tennessee Gravy Train“?

Vielleicht zu einem Drittel fertig. Ich weiß noch nicht genau, wie’s endet. Also, ich weiß natürlich, wie’s endet und sonst auch das meiste.

Vielen Dank, dass Sie sich dann Zeit für das Gespräch nehmen.

Ich denke immer, dass ich mehr tun könnte, mehr wertvolle, aufschlussreiche Informationen geben.

Ich finde, das war sehr gut.

Eins der Dinge, die am Schreiben so interessant sind, für mich jedenfalls, ist die Schwierigkeit, es zu erklären. Es ist so, als wäre es flüchtig, man bekommt es nie richtig zu fassen. Man kann nicht richtig erklären, warum man es tut, oder wie man’s macht, oder woher in einem es kommt. Ich bin immer neugierig zu erfahren, wie das bei anderen Schriftstellern ist, woher die Idee für einen Roman kommt – wenn irgendwas im Kopf keimt und plötzlich da ist.

Wenn eine Idee in Ihren Kopf kommt, erkunden Sie sie dann so, wie es die Leser tun – nach und nach beim Fortschreiten?

Ich glaube, für mich ist das eher wie ein Gedankenblitz. Normalerweise weiß ich, wenn an einer Figur, die mir gefällt, etwas dran ist, oder ob sie etwas hat, über das ich schreiben will. Normalerweise weiß ich ziemlich genau, was mit der Figur geschieht – wie sich die Dinge am Ende auflösen. Aber manchmal überrascht einen der Stoff auch. Vor allem interessiere ich mich aber für die Sprache. Ich glaube, es wäre schon ganz schön gewesen, ein Dichter zu sein. Nur dass ich, wenn ich Dichtern begegne, meistens nicht so gut mit ihnen klarkomme, und Gedichtlesungen finde ich schrecklich.

Sie sagten, das Schreiben muss sich anfühlen, als ginge es um etwas Größeres, als es ist. Ich fand das sehr interessant.

Das mein ich auch so. Vermutlich hab ich’s nur nicht so gut formuliert. Es muss für etwas anderes stehen – zumindest in meinen Augen.

(Übertragen aus dem Amerikanischen von Sven Koch)

Die Veröffentlichung auf Deutsch erfolgt mit der freundlichen Erlaubnis von Derrick Hill und Randy Mackin von der MTSU