Leseprobe: Ken Bruen – Aliens Bändigung

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Wenn man von der Clapham Road rechts abbiegt, könnte man durch die Lorn rüber nach Brixton laufen. Was wenige tun. Hier wohnte Brant neuerdings. Die Ironie war ihm nicht entgangen. Lorn … Verlorn. Oh ja. Seit er das Messer in den Rücken bekommen hatte, war er an den Schreibtisch verdammt, sagte: »Scheiß der Hund auf den Mist.« An seinen freien Tagen ging er auf den Friedhof und legte Blumen auf das Grab von PC Tone. Jede Woche, ohne Ausnahme. Jedes Mal sagte er: »Tut mir leid, Junge. Ich hab nicht auf dich aufgepasst, und die Dreckskerle haben dich für eine Hose umgebracht.« Was für ein Slogan – Eine Hose, zum Sterben schön. Das Pflaster-Duo war untergetaucht oder hatte nach Irland rübergemacht. Kein Beweis, dass sie es gewesen waren. Nur ein Bauchgefühl. Eines Tages, ja … eines Tages würde er sie kriegen. Nur Chief Inspector Roberts wusste von Brants Verstrickung in den Mord an dem Jungen. Er sagte nüscht. Brants eigene Fast-Ermordung hatte in Roberts’ Augen irgendwie für Ausgleich gesorgt. Schräger Deal, aber hey, sie waren Bullen, keine Hirnchirurgen.

Chief Inspector Roberts alterte schlecht. Beim Rasieren blickte er in den Spiegel, murmelte: »Du alterst schlecht.« Tiefe Falten durchzogen seine Stirn. Das einst beeindruckende, stahlgraue Haar war jetzt schneeweiß und zottelig. Clint-Eastwood-Kanten furchten seine Wangen. Sogar Clint versuchte, sie zu verstecken. Zusammengekniffene Augen … klar, wirkt cool … bis man die vierzig überschritten hat, danach sieht es nach Darmproblemen aus. Roberts liebte die Sonne, ach was, betete sie an – und Cricket. Zu viele Sommer und lange Tage unter UV-Strahlung hatten verheerende Schäden hinterlassen. Schlimmer noch, auf seiner Brust und an seinen Beinen waren Melanome aufgetaucht. Als er sie bemerkte, japste er: »Was zum Teufel?« Er wusste … oh, verdammt, nur zu gut … wenn die Scheißdinger schwarz wurden, war man am Arsch. Sie wurden schwarz. Der Arzt sagte: »Ich will nicht um den heißen Brei herumreden.« Roberts dachte: Doch, bitte … im Notfall tut’s auch eine Lüge – eine dicke, fette – reden Sie um allen heißen Brei herum. »Sie haben Hautkrebs.« »Fuck!« Hinterher dachte er, ich hab’s gut aufgenommen. Speiübel wurde ihm bei der Beschreibung der Behandlung. So: »Wir bestrahlen einmal die Woche.« »Wir? Wir machen das zusammen?« Der Arzt lächelte milde, zwischen Mitleid und Hohn, fuhr fort: »Schaun wir mal, wie Sie mit den Strahlen klarkommen, und wenn die nicht helfen, nehmen wir den Laser.« Roberts wollte schreien: »Beam mich hoch, Scottie! Nächster Halt … die Twilight Zone.« Er ließ den Arzt fertig reden. »Später schneiden wir dann ein paar der Stellen weg. Ein kleiner chirurgischer Eingriff.« »Klein für Sie, mein Lieber.« Der Arzt war jetzt fertig, wollte vor den Operationen wahrscheinlich noch neun Löcher schaffen, sagte: »Wir schreiben Sie für montags ein, und Sie sollten sich auf zwei Nebenwirkungen gefasst machen: 1. Sie werden extrem müde sein, also immer schön mit der Ruhe. 2. Sie werden austrocknen – Riesendurst ist normal.« Roberts hatte jetzt schon Riesendurst. Und ging auf direktem Weg in den Bricklayers. Der Barmann, ein kahl werdender Depp mit Pferdeschwanz und fleckiger Weste, zirpte: »Was soll’s denn sein, Guv?« »N großer Dewar’s, bitte.« »Eis … Wasser?« »Hätte ich dann nicht was gesagt?« »Empfindlich.« Roberts antwortete nicht, fragte sich, wie der Depp auf die Strahlen reagieren würde. Als könnte die Abkürzung den Schrecken mindern. Ach, wäre es doch so. Träum weiter. Roberts’ andere Leidenschaft galt dem Film Noir der Vierziger und Fünfziger. Heißer Scheiß. Während er sich an seinem Scotch festhielt, versuchte er, sich eine tröstende Szene aus einem der Filme ins Gedächtnis zu rufen. Was ihm einfiel, war Dick Powell in Murder, My Sweet: Ich hab den Totschläger direkt hinters Ohr bekommen. Vor meinen Füßen riss ein schwarzes Loch auf. Ich bin reingetaucht. Es war bodenlos. Yeah. Er hatte dem Depp hinter der Bar einen Zehner gegeben und beäugte jetzt das Wechselgeld. »He, Kumpel, das isn bisschen wenig.« »Was …? Oh … hab mir auch einen genehmigt. Man soll nicht alleine trinken.« Roberts ließ es durchgehen. Londoner … man musste sie einfach lieben. Bisschen später lehnt sich der Depp an die Bar, fragt: »Mögen Sie Videos?« »Wie bitte?« »Filme, Kumpel. Der neuste Blockbuster – heute Abend auf dem eigenen Sofa. Wie das West End im Wohnzimmer.« »Raubkopien, meinen Sie das?« »Whoa, John, leise bleiben, ja?« Roberts seufzte, legte seinen Dienstausweis auf die Theke. »Ups …« Roberts steckte den Ausweis ein, sagte: »Ich dachte, in Ihrem Business riecht man einen Bullen.« »Normalerweise ja, aber zwei Dinge haben mich auf die falsche Spur gebracht.« »Ach, welche denn?« »Erstens: Sie haben Manieren.« »Und …?« »Sie haben tatsächlich bezahlt.«

Fenton hatte seinen Spitznamen folgendermaßen bekommen: Während der Film Alien lief, hatte er einen Typen umgebracht – in der Szene, wo die Kreatur aus John Hurts Rumpf bricht. Er hatte dazu einen Baseballschläger benutzt, fast immer seine Waffe der Wahl. Der Typ, Bob Harris, hatte seine Kumpane reingelegt. Sie saßen jetzt lebenslänger auf der nicht so sonnigen Isle of Wight ein. Die Fahrt auf der Fähre war traumhaft gewesen. Fenton sollte zweitausend dafür bekommen. Er tat es umsonst. Wofür hat man Kumpel? Oh, Bob stand auf Horrorfilme und war besonders angetan von Ridley Scotts Alien-Verfilmung. Konnte stundenlang vom Metallschrottlook der Szenen schwärmen. Scheißgelaber. Fenton hatte bei ihm vorbeigeschaut, mit einem Sechserpack Special und ein paar Spliffs. Sie hatten was durchgezogen, einen Fressflash bekommen und das Bier gekippt. Fenton fragte: »Yo, Kumpel, du hast doch Alien da, oder?« »Oh ja, geil. Willste jetzt gucken?« »Wozu warten?« In der Tat. Als der Film anfing, sagte Fenton, er würde ein paar Biere aus dem Kühlschrank holen. Bob hockte auf dem Sofa, in den Fernseher versunken, keuchte auf bei der »Vision« von Allen Dean Foster. Fenton öffnete die Adidas-Sporttasche und holte den Louisville-Schläger raus. Der Griff war fest mit schwarzem Klebeband umwickelt, brutal. Er schwang den Schläger probeweise und hörte das vertraute Wuusch. Die Crew der Nostradome setzte sich gerade zum Essen, und John Hurt bekam tödliche Verdauungsstörungen. Bob rief: »Yo … Fen! Das willst du nicht verpassen!« Fen kam rein, verlagerte das Gewicht auf den rechten Fußballen, drehte sich und schwang mit aller Kraft den Schläger, sagte: »Werd ich nicht, Buddy.« Und rumms – weit ins Aus. Die Crew im Fernseher stieß Panik- und Ekelschreie ob des Blutbads aus. Fenton ließ den Film weiterlaufen, er hasste alles Unvollendete.